Bericht "Korfu und Bergsteigen in Griechenland"

30. Juni: Noch schläft alles, die Morgendämmerung ist gerade erst zu erahnen, brechen wir - Bruder Manfred, Schwägerin Charlotte und meine beiden Nichten Charlotte und Sidonie - auf in Richtung Venedig. Dort liegt schon die Autofähre (Minoan Lines) im Hafen, die uns nach 24 Stunden Fahrt nach Korfu bringt. Ich habe eine Deckpassage gebucht, d.h. ich verbringe eine angenehme Nacht im Schlafsack mit Blick auf den adriatischen Sternenhimmel.
Nach Ausschiffung im Hafen von Kerkira und einer weiteren Fahrstunde in den Süden der Insel erreichen wir unser Urlaubsquartier im Apartmenthaus Zervos. Das Gebäude hat vier Ferienwohnungen und liegt inmitten eines schönen Gartens direkt am menschenleeren Strand, also ideal für einen Urlaub mit Kindern. Bei der Ankunft werden wir vom Rest der Familie - Manfreds Schwiegereltern, Schwager, Schwägerin und deren Tochter Clara - freudig empfangen, die bereits einen Tag vor uns angekommen sind. Jetzt fängt der Urlaub wirklich an!

Ab nun wird spät aufgestanden, lang und ausgiebig gefrühstückt; anschließend gehts zum Strand, am Nachmittag wird ein kleiner Imbiss und/oder eine Kaffeejause eingeommen, manchmal ist auch Zeit für ein kurzes Schläfchen; danach wieder an den Strand, am Abend wird zusammengepackt, im Garten geduscht, später ein ausgiebiges Abendessen vorbereitet und mit Heißhunger verzehrt, danach noch eine oder mehrere Flaschen Wein getrunken, irgendwann so gegen Mitternacht ins Bett gestiegen und daher am nächsten Morgen spät aufgestanden, etc., etc., etc...

Weil ich ja an und für sich solche Faulenzerurlaube nicht wirklich gewohnt bin, habe ich mir schon zu Hause angesehen, ob es in der Nähe irgendwelche Gipfel gibt, die eine Besteigung lohnen. Der Pantokrator - seines Zeichnes höchste Erhebung (906 m) auf Korfu - gehört jedenfalls nicht dazu, das konnte ich sofort feststellen. Zwischen Südkorfu und dem griechischen Festland liegt aber nur eine Fährstunde. Vom Hafen Igoumenitsa in das Pindosgebirge sind es auch nur rund 2 Autostunden und dort gibt es immerhin einige Zweitausender - also ideal für einen "Kurzurlaub vom Urlaub"!

Lastenesel

Bruder Manfred denkt ebenso wie ich, also finden wir uns an einem Freitag frühmorgens um 6:00 Uhr im Hafen vom Lefkimi ein, wo unsere Fähre nach Igoumenitsa bereits vor Anker liegt. Schon eine Stunde später verlassen wir das Schiff in Richtung Ioaninna, Hauptstadt der Provinz Epirus. Unser Ziel liegt aber rund 60 km nördlich davon und heißt Mikro Papigo. Dieses kleine Gebirgsdorf liegt auf ca. 1.000 m innerhalb des Vikos-Aoos Nationalparks und ist der ideale Ausgangspunkt für die Besteigung der Gipfel Gamila (2.497 m) und Astraka (2.436 m) im Timfi-Gebirge. Glücklicherweise bekommen wir im einzigen Gästehaus des Dorfes sofort ein Zimmer, so dass wir schon kurz darauf den Anstieg zur rund 1000 m höher gelegenen Astraka-Hütte in Angriff nehmen können.

"Astraka-Schutzhütte - 3 Stunden" zeigt der Wegweiser am Ortsausgang an. Wir folgen also dem ausgetretenen und gut markierten Pfad und sind schon nach 2 Stunden dort! Das nach einem Brand 2003 komplett renovierte und ausgebaute Schutzhaus liegt auf einem Sattel direkt unterhalb des Astrakagipfels. Von der Aussichtsterrasse reicht der Ausblick tief in die nordwestlich gelegene albanische Bergwelt hinein. Unser Ziel liegt jedoch inmitten einer weiten Hochfläche im Osten - der Gamila I (2497 m)! Nach einer kurzen Rast machen wir uns auf den Weiterweg und müssen zuerst einmal rund 200 m absteigen. Ab jetzt sind Markierungen und Wegspuren nur mehr spärlich anzutreffen, was darauf schließen lässt, dass der Gipfel nicht gerade von Bergsteigern überrannt wird. Das ist aber auch schon der einzige Unterschied zu den heimischen Alpen, denn Landschaft, Pflanzen und Kühe, selbst die Schneefelder, sehen genau gleich aus ;-)

Der Pfad führt zwar stetig bergauf, ist aber aufgrund der vielen Mulden und Rinnen ziemlich unübersichtlich. Endlich, nach rund 2 Stunden Gehzeit und einer ungemütlichen Querung über einen steilen grasigen Hang, stehen wir am Gipfel. Doch die Freude über den "Gipfelsieg" währt nur kurz, weil wir sind am Falschen angelangt. Bei der dummen Querung haben wir übersehen, dass wir auf den 17 m niedrigeren Gamila II zugestiegen sind. Bruder Manfred meint zwar, das ist doch "komplett wurscht" und dass er da jetzt nicht mehr "hinüberhatscht" weil er eh schon total müde ist, aber nach einer ausgiebigen Verschnaufpause machen wir uns doch auf den Weg! Und steigen zuerst einmal wieder ca. 80 m steil ab, um auf der anderen Seite einen ebenso steilen Hang hinaufzuklettern. Aber dann sind wir wirklich ganz oben und genießen den grandiosen Blick in die zweitausend Meter tiefe Aoos-Schlucht und zum Kloster Moni Stomiu.

Der Abstieg folgt dem gleichen Weg, um 20:00 Uhr kehren wir müde und hungrig in unsere Herberge zurück. Eine ausgiebige Dusche macht uns wieder "salonfähig" zum Abendessen. Griechischer Salat zur Vorspeise, danach eine Riesenportion Moussaka, dazu ein Bier und eine Flasche Wein lassen dann nur mehr einen Wunsch offen: ein ordentliches Bett!
Am nächsten Tag wollen wir in die Aoos-Schlucht. Vorher machen wir aber noch einen kurzen Halt am Potami Rogovo. Der Gebirgsbach hat hier eine schmale Schlucht mit vielen kleinen Becken und Wasserfällen ausgewaschen. Eine kleine künstliche Staumauer schafft ein gut zwei Meter tiefes Badebecken mit herrlich klarem, türkis schimmerndem Bergwasser. Also wird nocheinmal kurz gebadet, bevor wir die Fahrt nach Konitsa fortsetzen.

Konitsa liegt direkt am Ausgang der Aoos-Schlucht. Hier steht die größte der Steinbogenbrücken innerhalb des Vikos-Aoos Nationalparks. Sie überspannt den Fluß in einer Höhe von 20 m und wurde 1871 errichtet. Von hier aus gelangen wir nach zweistündigem Fußmarsch zum Kloster Moni Stomiou, das wie ein Vogelnest auf einem Felsen ca. 200 m über dem Fluss thront. Die Anlage ist nicht sehr groß und kann frei besichtigt werden. Nach kurzem Aufenthalt kehren wir um und machen uns auf den Rückweg, der nur von einer Jausenpause auf einem Felsen inmitten des Flusses unterbrochen wird. Manfred nimmt das zum Anlass, natürlich sofort wieder ins Wasser zu hüpfen! Nach dem das Wetter auch nicht mehr so besonders aussieht, beschließen wir zu "unseren Lieben daheim" zurückzufahren. In Igoumenitsa haben wir dann noch einmal ganz besonderes Glück: bei der Einfahrt in den Hafen sehen wir unsere Fähre, die soeben abgelegt hat! Also müssen wir 3 Stunden auf die Nächste warten und werden dafür mit einem prächtigen Vollmond belohnt, der sich kreisrund im Meer wiederspiegelt.

Rückblickend betrachtet: eine wunderschöne Bergfahrt in traumhafter Landschaft!
Die Gegend ist es Wert, einen ganzen Urlaub hier zu verbringen.



aktualisiert: 20.08.2007
Martin Nessl, A-3494 Theiß, Obere Hauptstraße 2
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